Teil 3: Strategisches Kompetenz-Management neu denken

Im 2. Teil dieser Blog-Serie haben wir uns damit beschäftigt, welche Kompetenzmodelle heute großteils eingesetzt werden und welche sich wofür eignen. In diesem 3. und letzten Teil geht es um das Leadership-Maturity-Modell der Cornell-University, welches als „R-I-S-E® Competence Model“ weiterentwickelt wurde. Es stellt eine zukunftsgerichtete und lernorientierte Verhaltensentwicklung im Sinne „Leadership der Zukunft“ in den Mittelpunkt und entfaltet seine Wirkung durch einen zielgerichteten Entwicklungsdialog auf Basis konkreter Verhaltensbeschreibungen je Kompetenz.

Das R-I-S-E® Competence Model

Im Modell steht nicht mehr das „Machen“ im Mittelpunkt, sondern das „Wirken“. Wir betrachten also die Führungstätigkeit von der Ergebnisseite her. Dazu braucht es Hilfsmittel und unterstützende Maßnahmen, die Orientierung geben. Orientierung für den Status Quo in der Qualität der eigenen Führungsarbeit und Orientierung, wohin sich die eigene Leadership-Qualität weiterentwickeln soll.

Die Grundstruktur des R-I-S-E® Competence Models umfasst zwei Bereiche (siehe Abb.). Einerseits die für den geschäftlichen Erfolg wichtigen strategischen Kompetenzen und andererseits die Ausprägungen dieser Kompetenzen abgebildet in den vier Ausprägungsstufen.

Grundstruktur des RISE Competence Model
Abb.: Grundstruktur des R-I-S-E® Competence Models

Die zentralen Unternehmenskompetenzen werden aus den strategischen Anforderungen des Unternehmens abgeleitet. Sie basieren in der Regel auf dem Leitbild und den Führungsgrundsätzen. Die Begrenzung der Anzahl auf acht bis zwölf Kompetenzfelder hat sich bewährt und bezieht sich in der Regel auf die Bereiche Ausrichtung, Umsetzung, Sozial- und Führungsverhalten sowie Selbstkompetenz. Fach- und Methodenkompetenzen werden gesondert betrachtet.

Die Ausprägungen der jeweiligen Impactfelder orientieren sich an vier Ausprägungen. Sie bilden den natürlichen Lernpfad ab, spiegeln die Kompetenzentwicklung wider und verdeutlichen, aus welcher Grundhaltung heraus Führungsarbeit geleistet wird.

Ausprägung (R) – the Roler: improvisierend, ad hoc und sich orientierend

Personen mit dieser primären Ausprägung in ihrer Führungsarbeit handeln zumeist „aus dem Bauch heraus“, auf Basis bisheriger Erlebnisse. Sie folgen rasch einer ersten Idee, suchen schnelle Lösungen, haben keine elaborierten Pläne und entscheiden oft „ad hoc“. Hierbei orientieren sie sich häufig an den vermeintlich „erfolgreichen“ Verhaltensweisen früherer Erfahrungen ihrer Vorgesetzten und/oder ihrer Kolleginnen und Kollegen.

Führungskräfte zeigen diese Ausprägung meist dann, wenn sie eine neue Position mit deutlich mehr Komplexität übernommen haben.

Ausprägung (I) – the Instructor: routiniert, stabilisierend und vorgebend

Personen im Level I suchen Stabilität, Sicherheit und Entlastung in Strukturen, Regeln, Standards und Routinen. Das Einhalten dieser Richtlinien vermittelt ihnen positive Erfahrungen und die Bestätigung, auf dem „richtigen“ Weg zu sein. Gerne wenden sie einfache Tools an, um sich wenig mit ihrem Umfeld auseinander setzen zu müssen. Oft vertrauen sie auf Standard-Führungsinstrumente, die es ihnen „ersparen“, sich persönlich intensiver mit ihren Mitarbeitenden auseinanderzusetzen. Rasche Veränderungen werden von ihnen als verunsichernd bzw. teilweise als Bedrohung wahrgenommen. Sie tun sich meist schwer, „über ihren Schatten zu springen“.

Führungskräfte im Level I sind sehr empfänglich für Rückdelegation von Aufgaben durch Mitarbeitende an sie selbst.

Ausprägung (S) – the Shaper: optimierend, gestaltend und integrierend

Personen, die in ihren Verhaltensweisen Level S zeigen, sind sehr darauf bedacht, Bestehendes laufend zu verbessern und zu optimieren. Im Bemühen um die effiziente Gestaltung von Produkten und Prozessen nützen sie gerne zentrale KPIs als Steuerungshilfen. Dies kann dazu führen, dass ihre Sensibilität für soziale Prozesse weniger ausgeprägt ist.

Führungskräfte mit dieser Ausprägung schätzen den persönlichen Einsatz ihrer Mitarbeitenden, aber auch ein Leistungsverhalten, das sich in einem von ihnen vorgegebenen Rahmen bewegt. Sie selbst überschreiten die Grenzen des Gewohnten nur selten (und wenn, dann eher behutsam). Sie optimieren gerne und sind weniger Innovatoren.

Ausprägung (E) – the Enabler: reflektierend, perspektivisch, andere entwickelnd

Personen im Level E denken und handeln über einen bestehenden Rahmen hinaus, sofern dies zur langfristigen Strategie der Organisation und deren Grundwerten passt. Sie sehen Wandel als zentrales Element der Zukunftsfähigkeit. Bestehende Routinen und Verhaltensmuster ihres Umfeldes, aber auch die eigene Person werden systematisch und konstruktiv reflektiert.

Sie kennen sich selbst sehr gut und können ihr Wirken in die Organisation sowie die persönlichen Möglichkeiten und Grenzen gut einschätzen. Sie vermitteln anderen die Notwendigkeit der persönlichen Weiterentwicklung in der täglichen Führungsarbeit. Diese Führungspersonen erkennen aber auch den eigenen Lern- und Entwicklungsbedarf und arbeiten erkennbar daran.

Führungskräfte mit Verhaltensmustern in dieser Ausprägungsstufe sind sich bewusst, dass der Erfolg der Organisation nicht nur von ihnen selbst, sondern auch von der Kompetenz ihrer Mitarbeitenden abhängt. Daher ist für sie deren nachhaltige Entwicklung im Sinne von Fördern und Fordern Verpflichtung und Selbstverständnis ihrer Führungsarbeit. Ihnen geht es darum, ihre Mitarbeitenden in deren Entwicklung aktiv zu unterstützen, damit diese stetig „besser werden“.

Nutzen des R-I-S-E® Competence Models

Das R-I-S-E® Competence Model geht davon aus, dass Personen mit einem Grundverhalten in den Leveln 3 und 4 – also „S“ und „E“ – fit für heutige Herausforderungen sind. Wobei Ausprägungsstufe E nachhaltig die „Readiness for the future“ im Unternehmen verankert, da diese nicht mehr nur von der jeweiligen Führungsperson vorgelebt wird.

Der zentrale Vorteil dieses Modells besteht darin, dass der Grundaufbau und die formulierten Definitionen für sämtliche Positionen im Unternehmen gelten. Referenzpunkt ist immer das Anforderungsprofil der jeweiligen Position. Mit welcher Verhaltensausprägung dieses Positionsprofil vom jeweiligen Positionsinhaber ausgestaltet wird, bildet das Kompetenzmodell ab.

Der Nutzen ist offensichtlich:

  • ein Führungsmodell für alle Bereiche des Unternehmens,
  • Mitarbeitende kennen ein Modell und können sich bei Positionswechsel immer wieder auf dieses beziehen. Damit ist die Wahrscheinlichkeit für eine durchgängige Akzeptanz relativ hoch und
  • der administrative Aufwand in der Ausformulierung der Anforderungen ist minimal.

Die notwendige Kraft entfaltet das Modell dann, wenn es optimal in Prozesse des Mitarbeiter-Life-Cycle integriert ist.

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