„Kompetenz“ – Ist dieser Begriff noch zu retten?

Bis in die 1980er Jahre bedeutete Kompetenz ausschließlich Zuständigkeit. Die Kompetenz des Hausmeisters bestand z.B. darin, für einen ordentlichen Zustand des Hauses zu sorgen. Zuvor hatte der Linguist Noam Chomsky die Fähigkeit von Sprechern und Hörern, aus einer geringen Anzahl an Elementen und Regeln praktisch unendlich viele Sätze bilden und verstehen zu können, als Sprachkompetenz bezeichnet.

Die Doppeldeutigkeit

Als Ausdruck der Befähigung gelangte die Kompetenz über die Psychologie schließlich in das Erziehungswesen, wo man gar nicht genug davon bekommen kann. Hier findet sich sogar die Wortschöpfung „Kompetenz-Kompetenz“. Jedenfalls ist Kompetenz heute doppeldeutig. Wer etwa als Berater beauftragt wird, das „Kompetenzprofil“ eines Mitarbeiters zu erstellen, sollte besser nachfragen, ob denn Zuständigkeit oder Befähigung gemeint ist.

Kompetenz als Ergebnis eines mehrstufigen Prozesses

„Kompetenz“ sehen wir als Ergebnis eines mehrstufigen Prozesses (Abbildung 1). Sein Ausgangspunkt ist der individuelle Ressourcenpool. Er steht uns rund um die Uhr zur Verfügung und was wir daraus abrufen, wird uns höchst selten bewusst.

Kompetenz als Ergebnis eines mehrstufigen Prozesses
Abbildung 1

Erster Schritt: Gerichtetsein oder die Intentionalität

Das ändert sich, wenn wir unsere Sinne konzentriert auf etwas Besonderes richten. Wir katapultieren uns auf ein höheres Bewusstseinsniveau. Diesen Zustand nennen wir Intentionalität (lat. intendere = anspannen, die Aufmerksamkeit auf etwas richten). Dazu gehören Wünsche („Das möchte ich zuwege bringen“), Überzeugungen („Das kann ich“) und Gefühle („Dabei fühle ich mich wohl“). Es ist dieses auf etwas Gerichtetsein, das intentionale Zustände kennzeichnet. Darin kommt die Fähigkeit zum Ausdruck, sich in Gedanken und Äußerungen auf etwas einzulassen: auf aktuelle oder mögliche Situationen, auf bestimmte Sachverhalte und Gegenstände, auf konkrete Dinge und sogar solche, die noch gar nicht existieren.

Zweiter Schritt: Das Erleben oder die Emotionalisierung

Aus dem Zustand der Intentionalität kann ein Erleben entstehen. Die ersten Versuche, sich mit dem Objekt, auf das unsere Sinne konzentriert sind, intensiver zu befassen, aktiviert bestimmte Gefühle in uns. Durch diese Emotionalisierung werden sehr leicht Erinnerungen wachgerufen oder Erwartungen ausgelöst. Sind diese positiv, so entsteht in uns der Wunsch, nicht selten sogar die Lust oder Leidenschaft, die erprobten Denk- und Handlungsmuster zu wiederholen.

Dritter Schritt: Das Wiederholen oder die Habitualisierung

Auf diese Weise wird das Erlernte zur Gewohnheit. Wir spüren dann z.B., dass uns etwas leicht von der Hand geht, dass sich unsere Vorstellungen in Konkretes verwandelt haben oder dass wir uns in schwierigen sozialen Situationen einfach souverän fühlen.

Letzter Schritt: Das Verinnerlichen oder die Internalisierung

Nun laufen die erlernten Denk- und Handlungsmuster bereits automatisch ab. Wir haben sie verinnerlicht, sie sind nun ein Teil von uns, wir haben eine bestimmte Kompetenz erworben.

Welche Kompetenzen verlangt die Führungs- und Projektarbeit von heute?

Man muss ja nicht gleich das Wort „Zeitenwende“ strapazieren. Aber die Bedingungen, unter denen sich Führungs- und Projektarbeit heute bewähren muss, haben sich markant verändert. Darüber mehr im nächsten Blog.

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Das Buch „Schlüsselkompetenzen in Führungs- und Projektarbeit“ wirft einen kritischen Blick auf herkömmliche Kompetenzmodelle und stellt das neue Umfeld für Führungs- und Projektarbeit vor. Es entwickelt daraus fünf zentrale Schlüsselkompetenzen und verknüpft diese mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen.

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