Diversifikation will gekonnt sein

Wie können Unternehmen intelligent diversifizieren, um einen Mehrwert für Aktionäre in Einklang mit Umwelt und Gesellschaft zu stellen? Diese zentrale Frage versuchen Günter Müller-Stewens und Matthias Brauer in ihrem Buch „Corporate Strategy. Nachhaltige Wertsteigerung in diversifizierten Unternehmen“ zu beantworten, welches jüngst mit dem Lehrbuchpreis 2022 des Verbands der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft (VHB) ausgezeichnet worden ist.

Wir befinden uns wieder einmal in besonders unsicheren Zeiten. Zur Minderung der damit verbundenen Risiken wählen Unternehmen häufig eine Diversifikationsstrategie. Sie streuen ihr Risiko z.B. über eine Präsenz in vielen Ländermärkten (z.B. Linde), über ein Portfolio von Marken (z.B. VW-Gruppe), über unterschiedliche Kundensegmente bzw. Anwendermärkte (z.B. Schott) usw. Resultat einer solchen Strategie sind Unternehmen, die mittels einer Corporate Strategy das Portfolio ihrer verschiedenen Geschäfte steuern.

Auch wenn derartige diversifizierte Unternehmen heute eher den Normalfall darstellen, stossen sie im Kapitalmarkt immer noch auf Skepsis. Diese ist keineswegs unbegründet, denn im Durchschnitt vernichten sie Wert. Das heisst, dass der Gesamtwert des Unternehmens geringer ist, als die Summe der Werte seiner Geschäfte. Das Topmanagement scheint offenbar nicht in der Lage zu sein, ein solches Unternehmen nachhaltig erfolgreich zu führen. Dies kommt formell oft darin zum Ausdruck, dass die Corporate Strategy nicht mehr ist als die Summe der Geschäftsstrategien. Das Handwerk des Corporate Management wird offenbar nicht ausreichend beherrscht. Doch für moderne Führungskräfte gilt es die Frage nach nachhaltiger Wertsteigerung im Einklang mit Gesellschaft und Umwelt überzeugend zu beantworten.

So stellt sich die Frage, welches die Werttreiber sind, die einem Corporate Management – auch «Corporate Parent» genannt – zur Schaffung eines Mehrwerts («Corporate Surplus») zur Verfügung stehen. Aufbauend auf dem Wissenstand in der Managementforschung haben wir zehn zentrale Wertreiber identifizieren können. Sie sind im Corporate Management Modell aus Abbildung 1 wiedergegeben. Es zeigt auf, wie Führungsteams in diversifizierten Unternehmen einen nachhaltigen Mehrwert für das Gesamtunternehmen als auch für die einzelnen Geschäfte schaffen können.

Abbildung 1: Das Corporate Management Modell

Die erste Ebene an Wertreibern ist die des normativen Rahmens, der seitens des Topmanagements vorzugeben ist: Zur Ausrichtung der Strategien die Vision und die strategischen Ziele; zur «Kanalisierung» Werte und Mission (bzw. «Purpose»). Dieser Rahmen schafft Orientierung und zeigt die Freiheitsgrade für die Geschäftsstrategien auf.

Auf der zweiten Ebene geht es um das «Corporate Strategizing»: Dazu gehört die Festlegung des strategischen Konzepts in Abstimmung mit der Mission. So hat z.B. das Schweizer Chemieunternehmen Clariant sein Konzept für den Konzern von «Massenchemie» auf «Feinchemie» geändert, da man für sich keine Chance mehr in der Massenchemie im Wettbewerb mit den ganz Grossen sah: «Clariant aspires to be the globally leading company for specialty chemicals and achieve above-average value creation for its stakeholders.» [1]

Ein solcher Schwenk hat natürlich auch – mittels einer Portfoliorestrukturierung – Konsequenzen auf die Konfiguration der Geschäfte. Und je nach dem, wie ähnlich die Geschäfte zueinander sind, lassen sich durch deren Koordination Mehrwert erzeugende Synergien realisieren (z.B. Skaleneffekte). 

Auf der dritten Ebene des «Corporate Organizing» muss nun zur Umsetzung der Corporate Strategy das Alignment der Führungsorganisation erfolgen. Dies betrifft insbesondere die Anpassung der Organisationsstruktur und der Managementsysteme (z.B. Anreizsysteme), aber auch die des Führungsstils.

Eingebettet ist das Ganze in eine dialogisch geprägte Zusammenarbeit des Unternehmens mit seinen relevanten Stakeholdern. Im Sinne eines «Stakeholder Engagements» tragen diese wesentlich zur Wertschöpfung des Unternehmens bei, weshalb sie am Ende bei der Verteilung der Wertschöpfung auch fair berücksichtigt sein wollen. Dazu muss das Topmanagement in der Lage sein, bestehende Interessen- und Wertkonflikte zwischen Stakeholdern in eine angemessene Balance zu bringen, sonst gefährdet es deren Unterstützung.

[1] https://reports.clariant.com/2020/integrated-report/foundation/vision-mission-and-values.html

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Auf Grundlage des Corporate-Management-Modells identifizieren die Autoren zehn Wertsteigerungshebel, mit denen Führungsteams in diversifizierten Unternehmen einen nachhaltigen Mehrwert sowohl für das Gesamtunternehmen als auch für die einzelnen Geschäfte schaffen können.

Das Buch „Corporate Strategy“ wurde mit dem VHB-Lehrbuchpreis 2022 ausgezeichnet.

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