Interpersonale Kompetenz – Könnerschaft im Zwischenmenschlichen

Wer Menschen führen oder ein Projekt vollenden will, muss in erster Linie fachlich kompetent sein. Dieses Credo unseres Kulturkreises hat seinen Ursprung in den Handwerkszünften des Mittelalters. Hohes fachliches Können war eine wichtige Voraussetzung, um in den späteren Manufakturen bestimmend wirken zu können. Der Vorrang des Fachlichen lässt leicht einen grundlegenden Wandel vergessen: Führungs- und Projektarbeit ist heute vor allem Kontakt- und Beziehungsarbeit. Sie braucht neben der fachlichen auch eine Könnerschaft im Zwischenmenschlichen.

Die Essenz der interpersonalen Kompetenz

Wir verstehen darunter das Vermögen, mit unterschiedlichen Menschen, die zugleich auch verschiedene Rollen ausfüllen, wirkungsvoll zu interagieren (Abbildung 1). Das bedeutet, dass ich mich auf die Vielfalt und die Wechselwirkung zwischen mir und meinem Gegenüber einlasse und so für uns beide einen Mehrwert generiere. Gewalt, Zwang, Befehle, List, Tücke, Vortäuschen und so fort sind hingegen Mittel der Interaktion, die immer einen Beteiligten als Verlierer zurücklassen. Die interpersonale Kompetenz ist jedenfalls präziser gefasst als die hoffnungslos schwammige „soziale Kompetenz“.

Interpersonale Kompetenz
Abbildung 1

Gelingende Kommunikation: eine Illusion?

Ohne einem Verständnis davon, wie Kommunikation zwischen Menschen tatsächlich funktioniert, bleibt interpersonale Kompetenz eine Wunschvorstellung. Skeptische Zeitgenossen meinen ohnehin, wir redeten die meiste Zeit aneinander vorbei. Gäbe es sonst ein Heer an Kommunikationsberatern? Also weg mit der Vorstellung, Kommunikation könne auf den Fluss einer Nachricht von einem Sender über einen Kanal zum Empfänger reduziert werden. Verständigung zwischen Menschen wird erst gelingen, wenn sie als rückgekoppelter Austausch zwischen Sender und Empfänger praktiziert wird: „Habe ich sie richtig verstanden, …?“ „Nicht ganz, ich meinte, dass…“ „Mit anderen Worten, …“ und so fort

Selbstöffnung üben, damit das Hineinversetzen in den Anderen gelingt

Selbstöffnung meint keinen „Seelen-Striptease“, sondern die Bereitschaft, in einer sozialen Begegnung seinem Gegenüber etwas vom eigenen Selbst preiszugeben, und zwar im richtigen Ausmaß, in angemessener Weise und zum passenden Zeitpunkt. Sie zeichnet uns Menschen als soziale Wesen aus. Ohne diese Bereitschaft kämen Vertrauen und soziale Beziehungen nie zustande. Selbstöffnung kann man „erlernen“. Etwa indem man die mannigfaltigen Gelegenheiten nutzt, das „kleine Gespräch“ zu üben. Damit wird auch der Weg frei für das Hineinversetzen in das Gegenüber. Ein erster, aber nicht zu unterschätzender Schritt ist das teilnehmende Zuhören.

Humor als Medium pflegen

Humor ist ein Medium der sozialen Interaktion und zugleich ein Beleg für die kreative Ader der Spezies Mensch. Humor verlangt einen mentalen Perspektivenwechsel und die Auflösung von Widersprüchen. Auf diese Weise können wir die Wendigkeit in zwischenmenschlichen Situationen und damit auch die interpersonale Kompetenz üben. Gemeinsames Herumalbern befreit von Hemmungen und Ängsten. Mit Humor lässt sich Kritik in ein Gespräch schmuggeln, die ansonsten sofort Abwehr hervorrufen würde. Und: Lachen verkürzt die Distanz zwischen Menschen.

Resonanz erleben

Auf der höchsten Stufe der interpersonalen Kompetenz können die Beteiligten gelegentlich das erleben, was tragfähige soziale Beziehungen auszeichnet: Resonanz (lat. resonare = widerhallen). Für Führungs- und Projektarbeit bedeutet dies: Resonanz bringt Dinge in Bewegung, ohne dass es einer Dominanz oder Fremdbestimmung bedarf. Und wer durch Resonanz Dinge in Bewegung bringt, erfährt das Gefühl der Selbstwirksamkeit („Ich habe das aus eigener Kraft geschafft“). Resonanz führt schließlich dazu, dass sich die Beteiligten von selbst verändern und diese Veränderung als persönlichen Gewinn wahrnehmen.

Der Wert der interpersonalen Kompetenz

Interpersonale Kompetenz verleiht Sicherheit im Umgang mit anderen Menschen. Auf diese Weise wird ein sich selbst verstärkender Zirkel angestoßen: erlebte Anpassungsfähigkeit macht Mut für neue Erfahrungen, die wiederum zu einem Umgang mit Vielfalt anregt. Interpersonale Kompetenz wird so zu einer wertvollen persönlichen Ressource, die durch nichts anderses zu ersetzen ist.

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Das Buch „Schlüsselkompetenzen in Führungs- und Projektarbeit“ wirft einen kritischen Blick auf herkömmliche Kompetenzmodelle und stellt das neue Umfeld für Führungs- und Projektarbeit vor. Es entwickelt daraus fünf zentrale Schlüsselkompetenzen und verknüpft diese mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen.

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