5 Fragen an … Cyrus de la Rubia

Cyrus de la Rubia, Experte für Kryptowährungen, befasst sich in seinem Buch „Die neue Vielfalt des Geldes“ mit der Gegenwart, vor allem aber mit der Zukunft des Geldes. Im folgenden Interview beantwortet er Fragen zur Bedeutung und Nachhaltigkeit von Kryptowährungen sowie zu den Herausforderungen für die Gesetzgebung.

Kurz zusammengefasst, was ist der wesentliche Unterschied von Kryptowährungen zu bisherigen Geld- und Zahlungssystemen?

Die bisherigen Zahlungssysteme funktionieren durch die Zusammenarbeit von Zentralbank und Geschäftsbanken. Typische Kryptowährungen wie Bitcoin und Ether sind weder auf eine Zentralbank noch Geschäftsbanken angewiesen. Vielmehr ermöglichen die zu diesen Währungen dazugehörigen dezentralen Blockchains, dass die jeweilige Währung ohne zentralisierte Intermediäre von einem Menschen zum anderen übertragen werden kann. Insofern handelt es sich um ein komplett neuartiges Zahlungssystem.

Welche Rolle spielen Kryptowährungen und Token künftig als Finanzierungsinstrumente für (deutsche) Unternehmen?

Bei Immobilien gibt es bereits zahlreiche Pioniere, die die Blockchain-Technologie nutzen, um etwa Wohnimmobilien in tausende von digitalen Einheiten, sogenannte Token, zu unterteilen und als Anlageprodukt für Kleinanleger verfügbar zu machen. Ich erwarte, dass dies in einigen Jahren in einem größeren Stil zur Finanzierung von Immobilien eingesetzt wird. Grundsätzlich kann die Möglichkeit der Tokenisierung für alle möglichen Vermögensformen eingesetzt werden und ich denke, dass in zehn bis zwanzig Jahren diese Finanzierungsform einen signifikanten Anteil bei der Unternehmensfinanzierung haben wird.

Wegen ihres hohen Energiebedarfs sind Kryptowährungen in Punkto Nachhaltigkeit umstritten: Wie Sie in Ihrem Buch ausführen, entfallen schon heute allein auf das Betreiben der Bitcoin-Blockchain ca. 0,6 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs. Welche Möglichkeiten sehen Sie für eine nachhaltigere Krypto-Zukunft?

Ja, das Betreiben einiger Blockchains kostet viele Ressourcen. Wichtig ist zu verstehen, dass der hohe Stromverbrauch in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem hohen Grad an Sicherheit steht, den etwa die Bitcoin-Blockchain bei den Transaktionen bieten. Tatsächlich wird die Bitcoin-Blockchain immer wieder von Netzteilnehmer:innen angegriffen, bisher war das immer vergeblich. Dennoch ist der hohe Stromverbrauch ein Problem und es machen sich viele Entwickler Gedanken, um ressourcenschonendere Verfahren zu finden, die die sichere Übertragung von Zahlungen gewährleisten. Die Entwickler-Community von Ethereum hat bereits seit sehr vielen Jahren an einem derartigen Projekt gearbeitet und im September erfolgreich das energieintensive Proof-of-Work-Verfahren durch das Proof-of-Stake-Verfahren ersetzt, das nur einen Bruchteil des Stroms verbraucht. Das ist meines Erachtens der vielversprechendste Ansatz zur Lösung des hohen Energiekonsums. Darüber hinaus geht es darum, den Energiehunger ganz generell mit nachhaltigen Lösungen zu stillen, d. h. im Wesentlichen durch den Einsatz von erneuerbaren Energien. Das gilt aber im Grunde genommen für alle Sektoren unserer Volkswirtschaft.

Die EU hat sich auf erste Schritte zur Regulierung des Kryptomarktes verständigt. Welche sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen für Gesetzgebung und Finanzaufsicht?

Es ist gut, dass die EU dabei ist, einen vernünftigen Regulierungsrahmen zu schaffen, das ist im Interesse der Anleger, aber auch im Interesse der Anbieter, denen mit diesen Schritten signalisiert wird, dass sich Investitionen in diesen Sektor lohnen und keinesfalls ein plötzliches Verbot droht. Hier entstehen ein neuer Wirtschaftssektor und damit auch neue Arbeitsplätze. Viele Unternehmen sind im Kryptosektor tätig, aber sind dem alten Wirtschaftsmodell verhaftet, denken Sie an zentralisierte Kryptobörsen. Dagegen ist nichts einzuwenden und hier können sich die Aufsichtsbehörden an dem Regulierungsrahmen orientieren, der im traditionellen Finanzmarkt angewendet wird. Wesentlich herausfordernder ist es, die Krypto-Geschäftsmodelle zu beaufsichtigen, die weitestgehend dezentral aufgestellt sind. Bitcoin, Ether, Dai und zahlreiche Decentralized Finance-Anwendungen sind Beispiele dafür. An wen soll sich der Regulierer wenden, wenn sich Nutzer:innen darüber beschweren möchten, dass Bitcoin-Zahlungen nicht eingetroffen sind? Es gibt schlicht keinen Ansprechpartner. Das wird die Aufsichtsbehörden in den kommenden Jahren besonders beschäftigen. Patentlösungen gibt es dafür nicht.

An wen richtet sich Ihr Buch und welche Vorkenntnisse sind notwendig, um die Kryptowelt zu verstehen?

Für viele Menschen ist die Kryptowelt eine Parallelwelt, über die viel geredet, die aber kaum verstanden wird. Und das liegt daran, dass die Art und Weise, wie die Blockchain-Technologie funktioniert, sich so komplett von der Welt unterscheidet, in der wir sonst leben. In unserer bisherigen Welt stehen Institutionen und Unternehmen im Mittelpunkt, in denen in zentralisierter Weise Entscheidungen getroffen werden. Mit der Blockchain werden Prozesse und Entscheidungen dezentral durchgeführt, und das ändert Geschäftsmodelle und eben auch das Verständnis von Geld. Warum das möglich ist, und dass das ganz viele unserer Lebensbereiche betreffen kann, das erläutere ich in meinem Buch. Jede Person, die dieser Wandel interessiert, erhält durch dieses Buch einen guten Zugang zu diesem Thema. Vorkenntnisse sind nicht nötig, es ist eine Einführung, bei der weder ein wirtschaftswissenschaftliches Studium noch Kenntnis der Kryptografie notwendig sind.

Die Fragen stellte Anna Pietras, Leiterin Programmbereich Finanzwirtschaft, Wirtschaftsprüfung & Wirtschaftsrecht.

Mehr erfahren?

In Zukunft werden noch mehr als bisher verschiedene Formen des Geldes nebeneinander existieren. Das Buch „Die neue Vielfalt des Geldes“ beleuchtet die Entwicklungen der neuen Zahlungstechnologien und die gesellschaftlichen Folgen.

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