Führen als Breitensport – was bringt Shared Leadership?

Bei der Frage, wie man erfolgreich Menschen führt, steht traditionell die Führungskraft im Zentrum der Aufmerksamkeit. Welche Tools und Instrumente braucht eine Führungskraft, um ihrer Führungsrolle gerecht zu werden? Welche Eigenschaften muss sie mitbringen? Wie wird sie zum inspirational Leader, der ein Team mitreißt und zu außerordentlichen Ergebnissen führt.

Leadership ist nach diesem eher einseitigen Verständnis exklusiver Spitzensport, der einer Elite von Führungskräften vorbehalten ist, die als High-Performer die passende Leadership DNA mitbringen, um aus den Mitarbeitenden Spitzenleistungen heraus zu kitzeln. Diese Elite wird dann in aufwändigen Leadership-Programmen mit ausgefeilten Methoden und Techniken für ihre Führungsaufgabe fit gemacht. Doch zurück im Dschungel der Organisation und im Chaos des Alltags setzt bald Ernüchterung ein, und man erkennt als Führungskraft, dass die Mitarbeiter nicht so „spuren“ wie man möchte, dass Instrumente nicht so greifen, wie man sich das vorgestellt hat. Die Führungsrolle wird zu einem Kampf gegen Windmühlen und zu einer echten Last für die Chefin oder den Chef.

Dabei könnte es auch anders laufen. Man muss sich dazu nur bewusstwerden, dass Führen nicht die Angelegenheit einer einzelnen Person ist. Peter Senge hat das schön formuliert: „Leadership is the capacity of a human community to shape its future“. Führen ist eine gemeinsame Anstrengung und keine einsame Spitzenleistung. Statt Spitzensport braucht es mehr Breitensport.

Das führt uns zum Grundgedanken von Shared Leadership. Unter Shared Leadership verstehen wir einen dynamischen, interaktiven Prozess des wechselseitigen Führens und Folgens, der die Führungsarbeit dezentral auf mehrere oder viele Köpfe verteilt. Dieser Prozess ist verortet in einem Dreiecks-Verhältnis aus Führendem, Folgenden und der Aufgabe, die es zu bewältigen gilt.

Führen ist dabei kein statischer Zustand, sondern ein dynamischer Prozess, in dem Führende und Folgende je nach Situation, Aufgabe, Bedarf oder Initiative wechseln können. Ein wunderbares Beispiel ist die Jazz-Combo, in der jeder einmal den Lead übernehmen kann, um den Rest der Band in neues rhythmisches, harmonisches oder melodisches Terrain zu führen.

Erfolgsbedingungen für Shared Leadership

Um Shared Leadership zu etablieren, müssen gewisse Erfolgsbedingungen erfüllt sein:

  • Es muss einen Vertrauensrahmen, in dem Menschen Mut entwickeln können und sich trauen, in Führung zu gehen (Vertrauensraum).
  • Es muss einen Leistungsrahmen aus klaren Zielen geben, in dem jede erkennen kann, welchen Beitrag sie zur Zielerreichung leisten kann (Leistungsraum).
  • Es muss einen Kompetenzrahmen geben, in dem Menschen ihre Stärken gezielt einsetzen können und sich weiterentwickeln und wachsen können (Kompetenzraum).
  • Und es muss einen Entscheidungsrahmen geben, in dem Menschen verantwortungsvoll Entscheidungen treffen, die in entschlossenes Handeln münden (Entscheidungsraum).
Shared Leadership: Erfolgsbedingungen
Shared Leadership: Erfolgsbedingungen

Wenn es unter diesen Erfolgsbedingungen gelingt, ein praktikables System von Shared Leadership ins Leben zu rufen, dann ergeben sich eine Vielzahl von Vorteilen auf der individuellen Ebene, auf Teamebene und auf Organisationsebene.

Vorteile durch Shared Leadership

Welche Vorteile entstehen für den Einzelnen?

  • Die Arbeitsbelastung sinkt, weil jede im Team stärker danach sucht, einen substantiellen Beitrag zum Team-Erfolg zu leisten. Das reduziert das individuelle Stressgefühl und erhöht die Arbeitszufriedenheit.
  • Die einzelnen formalen Führungskräfte werden entlastet. Sie sehen sich oft in einer kniffligen Sandwich-Position, in der sie enormem Druck von allen Seiten ausgesetzt sind. Im Shared Leadership Modell sind sie nicht mehr für alles alleine verantwortlich. Sie wissen sich von aktiven Mit-Führenden umgeben und unterstützt.
  • Die Teammitglieder erleben sich stärker in der Rolle eines aktiven Gestalters. Mit anderen Worten: sie erleben mehr Empowerment. Das stärkt das eigene Selbstbewusstsein und hat einen positiven Einfluss auf das Selbstwertgefühl.
  • Komplexität wird besser handhabbar, weil Perspektiven leichter geteilt werden und mögliche Problemlösungen auf kreativen Wegen angesteuert werden können.
  • Jeder im Team erhält die Chance zu lernen und an der Aufgaben- und Problembewältigung zu wachsen.
  • Jeder kann seine Fähigkeiten und Stärken noch besser einbringen, was wiederum eine positive Rückkopplung auf die Zufriedenheit am Arbeitsplatz hat.

Welche Vorteile entstehen für das Team?

  • Die Produktivität des Teams steigt, da Shared Leadership durch das höhere Maß an offener Kommunikation schnellere und kreativere Problemlösungen erlaubt.
  • Die Innovationskraft steigt, da Ideen sich freier entwickeln können und man sich gegenseitig stärker stimuliert.
  • Zusammenhalt und Vertrauen im Team werden gefördert, da man an Entscheidungen stärker beteiligt ist, sich mehr aufeinander verlässt und jeder mehr Verantwortung übernimmt.
  • Die Teamresilienz nimmt zu, da Shared Leadership auf eine offene und konstruktive Kommunikation baut, die das Konfliktlösungspotenzial im Team unterstützt.

Welche Vorteile entstehen für die Organisation?

  • Mitarbeiter denken eher wie Unternehmer, haben stärker den Kunden und das gesamte Geschäftsumfeld im Blick.
  • Die Innovationskraft und das Problemlösungspotenzial im gesamten Unternehmen wird gestärkt.
  • Die Organisation wird flexibler und agiler, da Entscheidungen nicht nur von einer Person getroffen werden, sondern dezentral an vielen Stellen im Unternehmen.
  • Es entsteht eine höhere Mitarbeiterbindung und es lassen sich leichter Talente finden, weil Shared Leadership für Mitarbeitende, besonders jüngere, eine hohe Attraktivität besitzt.
  • Corporate Governance gewinnt an Nachhaltigkeit, da ethisch korrektes Verhalten gefördert wird, wenn jeder stärker in der moralischen Verantwortung ist.

Alle dies Nutzensaspekte machen Shared Leadership für moderne Unternehmen höchst attraktiv. Allerdings muss man sich auch klar darüber sein: Shared Leadership funktioniert nicht auf Knopfdruck. Es erfordert eine neue Haltung, also ein „Umparken im Kopf“. Und es braucht die richtigen Instrumente und Rahmenbedingungen. Unternehmen, die Shared Leadership praktizieren wollen, müssen dafür die Bereitschaft besitzen.

Mehr erfahren?

Die Autoren beschreiben im Buch wissenschaftlich fundiert und praxisnah, was das Modell Shared Leadership bedeutet, warum es immer wichtiger wird und welche Vorteile es bietet. Sie erfahren, wie Shared Leadership gelebt wird und welche Haltung, Skills und Rahmenbedingungen nötig sind, damit die Beteiligten Verantwortung übernehmen und gemeinsam in einer komplexen Arbeitswelt bessere Ergebnisse erzielen. Mit Reflexionsfragen, Übungen und zahlreichen Praxisbeispielen.

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